„Nicht die Mama“

Am Freitag sind wir dann also wieder nach Colonia gefahren, nachdem Steffen die Kopie der Heiratsurkunde herausgesucht und, zum Glück, die im uruguayischen Zentralcomputer gespeicherte Version auf einen Stick gezogen hatte; für alle Fälle.

Die Fahrtzeit nach Colonia beträgt etwa eine Stunde. Da wir bei der Ausweisausgabe mit keiner Verzögerung mehr rechneten, fuhren wir noch in einer weiteren Gärtnerei vorbei, ich wollte noch einige Pflanzen für das Gemüsebeet, und ein neuer Baumarkt lag auch auf dem Weg. „Mal gucken, was es dort so alles gibt!“

Die Kopie der Heiratsurkunde wurde nicht anerkannt, wir mussten das „Original“ aus dem Stick ausdrucken! Also machten wir uns wieder auf den Weg ins Zentrum, fanden einen Copy-Shop und kamen mit dem gewünschten Papier zurück in die Behörde. Alles gut? Ja! Also Fingerabdruck, Foto, Unterschrift. Dann durfte ich im Wartebereich Platz nehmen. Steffen durfte nicht mit und ich durfte kein Handy benutzen, das ist in jeder Behörde und Bank verboten! Also Löcher in die Luft starren und warten, dauert ja nicht lange!

Ständig kamen Menschen, die auch einen neuen Ausweis wollten. Deren Sache wurde bearbeitet und alle waren nach maximal 15 Minuten wieder draußen. Ich saß weiter auf meinem Stuhl und wartete.

Wir haben seit zwei Wochen ein kleines Lamm zur Flaschenaufzucht. Alle vier Stunden hat der kleine Kerl Hunger und will seine Milch!

Die Zeit verrann, ich saß weiter auf meinem Stuhl und wartete. Nach einer Stunde fragte ich mal nach. Man müsse auf die Genehmigung aus Montevideo warten, bekam ich freundlich zur Antwort. „Setz dich mal wieder hin.“ Auch in den Behörden wird man hier geduzt und mit dem Vornamen angesprochen.

Da mir niemand sagen konnte, wie lange das denn noch dauert, schickte ich Steffen nach Hause, das Lamm füttern. Ich würde mich dann melden, wenn ich hier fertig bin.

Wenn man so über zwei Stunden wie beim Nachsitzen in der Schule auf seinem Stuhl ausharrt und nichts anderes tun kann, als in die Luft zu starren, beginnt das Gehirn zu arbeiten. Jedenfalls bei mir! Ein Uruguayo schaltet die Denkfabrik ganz aus, bei mir läuft sie in solchen Fällen auf Hochtouren!

Was, wenn ich keinen Ausweis bekomme? Was, wenn mich die Polizei holt, weil ich kein Aufenthaltsrecht mehr habe? Was geht hier eigentlich vor? Ich muss aufs Klo!! Meine Gedanken überschlugen sich.

Die Räumlichkeiten leerten sich. Es kamen keine Kunden mehr. Der Feierabend näherte sich, die ersten Beamten gingen nach Hause. Im Empfangsbereich wurden die Computer ausgeschaltet, das Licht gelöscht und die Rollläden heruntergelassen und ich saß immer noch auf meinem Stuhl. Noch fünf Minuten, dann würden sie hier abschließen. Und ich? Kommt jetzt doch die Polizei?

In Montevideo war wohl auch gleich Feierabend. War ja Freitagnachmittag! Zwei Minuten vor Schluss ratterte der Ausweisautomat und spuckte meine Cédula aus! „Gabi, alles klar! Sie haben dich gefunden, hier ist dein Ausweis, du kannst gehen!“

Sie haben mich gefunden? Der Zentralcomputer hatte mich wohl verschluckt. Jetzt war ich wieder da! Nur gut, dass heute die Behörde schon so früh schloss und nicht bis zum Abend geöffnet hatte!!!!

Steffen war derweil zu Hause und wollte das Lamm füttern. Klein Johann wollte allerdings von ihm nichts annehmen. „Nicht die Mama!!!” Steffen hatte keine Chance und kam zurück nach Colonia, um mich abzuholen.

Ich habe meinen Ausweis! Halleluja!!

Und Johann bekam nach reichlicher Verspätung von seiner „Mama” die Milchflasche!

4 Gedanken zu “„Nicht die Mama“

    1. Das hätte vieles einfacher gemacht, ja. Aber für Nutztiere braucht man hier einen Transportschein. Der muss gekauft werden und gilt immer nur für den einen Tag.
      Da bringst du mich auf eine Idee: das gibt den nächsten Blog-Beitrag!
      Ich wünsche dir einen guten Start in die neue Woche👋

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