Ausgesetzt!

Ganze drei Tage brauchte unser Stinktier, dann hatte es einen neuen Zugang in den Hühnerstall gefunden. Merkwürdigerweise ließen sich die Hühner von dem kleinen Burschen nicht stören. Aber wahrscheinlich war er für sie ein „Hase“ mehr. Nichts, über das man sich aufregt.

Auch das Stinktier schien sich sehr wohl zu fühlen. Verließ es anfangs nach dem Eierklau noch schnell den Tatort, blieb es diesmal gleich dort und machte es sich in der Kiste bequem. Vollgefressen rollte es sich zusammen und schlief den Schlaf der Gerechten. Als ich meine Eier am Nachmittag holen wollte, entdeckte ich den Dieb. Er hob nur kurz den Kopf, sah mich mit seinen schwarzen Äuglein an und döste weiter!! Angst war nicht sein Ding, Ich erschien ihm wohl so harmlos, dass er sich in seinem Schlaf nicht gestört fühlte.

Nun war guter Rat teuer! Freiwillig würde er nicht mehr auf seine tägliche Eiermahlzeit verzichten, selbst wenn wir den Hühnerstall einbetonieren und in einem Bunker verwandeln würden. Also umbringen? Erschlagen oder erschießen war Steffens Vorschlag, nicht so ganz ernst gemeint. Wir einigten uns schließlich darauf, den kleinen Dieb weit entfernt vom Campo auszusetzen. Ich stülpte also einen ausrangierten Fahrradkorb über das in der Kiste schlummernde Tierchen und gemeinsam wuchteten wir die Holzkiste auf den Schubkarren. Dann machten wir uns auf den Weg. Wir marschierten zur Straße und dann hinunter an den Fluss. Das Stinktier steckte die Nase neugierig durch das Gitter und war ganz interessiert an dem Ausflug. Von Angst und Panik keine Spur, es lies sich sogar die Nase kraulen.

Ich glaube, es ist das inzwischen größer gewordene Baby, das wir vor einigen Monaten im Ziegenstall gefunden hatten. Er zeigte vor uns nicht die geringste Angst, war zutraulich und, wie gesagt, sehr interessiert an unserem Ausflug.

Man kann, das haben wir schon öfters gehört, vom Tierarzt die Stinkedrüse entfernen lassen und dann den putzigen Kerl als Haustier halten. Das wollten wir ihm und uns aber dann doch nicht antun. Er gehörte in die Freiheit. Also marschierten wir hinunter zur Brücke am Fluss und auf der anderen Seite den Weg wieder hinauf, sodass wir etwa einen Kilometer entfernt vom Hühnerstall waren. Wir hoffen, dass das als Abstand genügt und er nicht wieder zurück findet.

Neben dem Weidezaun vom nächsten Nachbarn entließen wir unseren anhänglichen Besucher in die Freiheit, mit der er zunächst nichts anfangen konnte. Er tippelte einige Schrittchen nach links, dann nach rechts, schnüffelte hier und dort und warf uns dann einen sehnsüchtigen Blick zu. „Lauf uns ja nicht wieder hinterher“, dachten wir und machten uns langsam auf den Rückweg. Er schien wirklich geneigt, in unserer Nähe zu bleiben, entschied sich dann aber doch anders und verschwand im Gestrüpp. Er wird bestimmt bald auf Artgenossen treffen.

In Uruguay wimmelt es nur so von Stinktieren. Sie haben keine natürlichen Feinde und vermehren sich wie die Karnickel. Solange sie sich von unserem Hühnerstall fern halten, dürfen sie sich auch auf unserem Campo wohlfühlen. Sie fressen Mäuse, Ratten und kleine Schlangen, sind also auch recht nützliche Zeitgenossen.

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