Überlegungen

img_1893img_1891img_1892img_1890Wenn man von jemandem, der noch nie in Uruguay gewesen ist, gefragt wird, was es denn hier zu besichtigen gibt, welche Sehenswürdigkeiten es hier gibt, muß man ganz ehrlich sagen : eigentlich Nichts!

Es gibt hier nichts spektakuläres, was eine lange und kostspielige Reise hierher rechtfertigen würde. Das hört sich erst mal sehr niederschmetternd an und wirft natürlich die Frage auf, was macht ihr dann dort ?

Andererseits kommt es natürlich auch darauf an, was der Reisende erwartet. Wer von Europa kommt, ist Vielfalt gewohnt.  Spektakuläre Naturwunder gibt es dort mehr als genug und es braucht mehr als ein Leben, um das alles zu besichtigen. Auch auf geschichtlicher Ebene, gleich welcher Epoche, hat Europa eine Menge zu bieten. Die Unterhaltungsindustrie ist immer auf der Höhe ihrer Zeit und es ist für jeden Geschmack, Geldbeutel und Alter auf jeden Fall etwas dabei.

Warum also Uruguay ?

Uruguay lebt vom Kleinen, vom Unscheinbaren und das macht, jedenfalls für uns, den Reiz aus. Es kommt auf den Blickwinkel an. Wir haben Menschen kennengelernt, die eine ganz andere Sichtweise auf die Dinge hier haben. Wer aus Europa kommt, muß das Gewohnte hinter sich lassen und am besten gleich vergessen. Dann erst kann man sich einlassen auf die ganz besondere Identität Uruguays. In vielen Dingen fühlen wir uns in die Kindheit versetzt, Uruguay hängt hinter Mitteleuropa 30-40 Jahre hinterher. Scherzhaft wird behauptet : Wenn die Welt untergeht, besteht Uruguay noch einige Zeit weiter.

Weil hier alles etwas länger dauert, weil man hier in vielen Dingen mehr Zeit braucht und weil Ehrgeiz und Hektik, die Wörter,  die in Europa die Menschen vorantreiben und kaputt machen, hier vielerorts unbekannt sind. Sicher hält der globale Kommerz auch hier Einzug, und wenn das Land weltweit mitmischen will, muß es sich zwangsläufig anpassen. Aber die Menschen hier leben meist im Jetzt. Wen interessiert das Morgen ?

Und diese Ruhe und Langsamkeit ist das eigentlich faszinierende. Das beginnt schon bei der Vorwärtsbewegung. Man wird hier niemanden sehen, der schnellen Schrittes irgendwo hineilt. Alles geht ruhig und langsam seinen Weg. Bei den Fahrradfahren, und derer gibt es ziemlich viele, wundert man sich, daß sie nicht umfallen, so langsam sind sie unterwegs. Man kann gefahrlos eine Straße überqueren, sei es im Dorf, in der Stadt oder an der Autobahn. Da kommt niemand angerast und braust an einem vorbei. Egal, wohin man kommt, die Menschen haben unheimlich viel Zeit und Ruhe. Und das kann uns Europäer auch schon mal an den Rand der Weißglut bringen, wenn man sich nicht schnellstmöglich an das hiesige Tempo anpasst. In einem Geschäft eine Nummer ziehen und geduldig warten, bis man dran kommt, gehört zum Alltag. Und man tut gut daran, sich an einem Tag nicht allzu viel vorzunehmen, weil schlangestehen am Geldautomat oder an der Kasse mit eingeplant werden muß.

Auch die Landschaft bietet nichts Spektakuläres, außer Weite und Ruhe. Man wird nicht abgelenkt von Superlativen, man hat nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, weil man hier und dort vielleicht noch nicht war. Wenn es nichts gibt, was einen ablenkt, kann man sich auf das Wesentliche besinnen, vorausgesetzt, man will sich auch ganz bewusst darauf einlassen. Nach drei Wochen Uruguay ist man herrlich tiefenentspannt, ausgeglichen und ausgeruht, wenn man auf solche Dinge Wert legt.

Natürlich gibt es auch etwas zu besichtigen, wie einige Ruinen der Jesuiten aus dem 18. Jh. ( s.o.) , Festungsanlagen und kleine Museen. Aber die Geschichte Uruguays ist noch nicht alt, eine indigene Bevölkerung existiert nicht und die wenigen Minidinosaurierer, die vor einigen Millionen Jahren hier über die Pampa spaziert sind, haben auch nicht viel zu erzählen.

Das perfekte Land also  für Individualisten, die kein Bespassungsprogramm mit hyperaktiven Animateuren  brauchen, sondern für solche, die sich selbst genügen, die auf eigene Faust furchtlos ihre Erfahrungen machen wollen und einen funkelnden Sternenhimmel dem Fernsehprogramm  vorziehen. Die dem Konsumrausch entkommen wollen und diesem unsinnigen Hinterherhecheln. Denen es egal ist, ob der Nachbar nun ein größeres Auto fährt, die Kollegin mit dem neuesten Schnickschnack für die Küche ausgerüstet ist und welche Rocklänge in der neuesten Mode vorgeschrieben ist. Die Bevormundung und unsinnige Regelungen nicht brauchen, die aber auch bereit sind, Eigenverantwortung und wenns mal schief geht, die Konsequenzen daraus zu tragen. Die für sich selbst denken können und die vor allem ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen.

2 Gedanken zu “Überlegungen

  1. Noch mal hallo. ..So wie du das ganze beschreibst wäre das genau das was ich so für ca 5 Wochen bräuchte. .Bei uns ist im Moment der andere Wahnsinn dran. ….. LG. Conny

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