Auswandern war für uns kein Thema!
Bis wir in den Weihnachtsferien 2008/2009 unseren Urlaub in Uruguay verbrachten. (Wie es dazu kam, habe ich schon in einem früheren Beitrag erzählt.) Die Idee, eigentlich schon der Entschluss zur Auswanderung, kam ganz spontan aus dem Bauch heraus am dritten Urlaubstag!
Wir begeisterten uns beide für das Thema und stürzten uns, wieder zurück in Deutschland, in die Planung. Uruguay oder gar nichts , ein anderes Land kam nicht in Frage.
Beide Töchter waren noch schulpflichtig. Sie sollten die Schule und evtl. Ausbildung oder Studium in Deutschland abschließen. Wir wohnten damals in Baden-Württemberg. Man mag viel, und zu Recht, das deutsche Schulsystem kritisieren! Das südamerikanische Schulsystem ist trotzdem um Welten schlechter. Auch wenn Uruguay angeblich das beste von Südamerika hat: der größte der sieben Zwerge ist immer noch ein Zwerg! Auswanderung mit Kindern kam für uns nicht in Frage. Die Mädels hatten ihre eigenen Vorstellungen von ihrer Zukunft!
Steffen und ich beschlossen also, Uruguay über mehrere Jahre zu unterschiedlichen Jahreszeiten kennenzulernen. Urlaub im Sommer kann jeder!
Wir mieteten also drei Jahre hintereinander ein Häuschen und übten das „in Uruguay wohnen“. Die Gegend, wo wir uns niederlassen wollten, war schnell klar. Im dritten Jahr fand uns das passende Grundstück; wir hatten nicht konkret danach gesucht, uns nur umgeguckt.
Daheim in Deutschland mussten die Finanzen geklärt werden. Konnten wir uns eine Auswanderung überhaupt leisten? Es war uns schnell klar, dass hier im Land kein Geld zu verdienen ist. Jedenfalls nicht verlässlich und langfristig! Das sehen wir heute noch so!
Wir belegten schon vor dem ersten Urlaub einen Sprachkurs an der VHS und hielten ganze zehn Jahre, bis zum endgültigen Abflug, durch! Unterhalten konnten wir uns anfangs trotzdem kaum, das uruguayische Spanisch unterscheidet sich ganz gewaltig vom europäischen, (Auch dazu gibt es bereits einen Beitrag) obwohl wir glücklicherweise eine Lehrerin aus Buenos Aires hatten!
Der Anfang im Land war schwer und ich überlegte nach neun Monaten ernsthaft, alles hinzuschmeißen! Ich kam als Frau mit der Mentalität der hiesigen Männer nicht klar und fühlte mich abgeschoben, bei Seite gedrängt. Mittlerweile habe ich mich emanzipiert und gelernt, damit umzugehen.
Die Sprache war für uns beide eine große Hürde. Wir hatten fleißig, zum großen Teil Floskeln auswendig gelernt. Die im Dialekt schnell genuschelte Antwort verstanden wir selten. Wir fühlten uns bei einem Zusammentreffen mit Einheimischen oft sehr hilflos. Aber wir hatten keinen Dolmetscher zur Hand: Durchhalten oder Davonlaufen! Wir entschieden uns für Ersteres!
Wer Probleme in der Heimat hat, gleich welcher Art, sollte sich bewusst sein, dass er sie ins neue Land immer mitnimmt. Den blöden Nachbarn kann man hinter sich lassen. Aber auch im Ausland kann man so einem Exemplar begegnen. Man nimmt sich auch selbst mit! So wie man ist, mit allen Stärken und Schwächen. Man wird nicht zum neuen Menschen, nur weil man den Wohnort wechselt. Auch für ein gut funktionierendes Ehepaar bedeutet es eine Herausforderung, plötzlich 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche ununterbrochen zusammen zu sein. Man muss sich neu sortieren, Arbeitsteilung akzeptieren. Am Anfang ist man 100% aufeinander angewiesen; das ist nicht immer die helle Freude.
Und dann kamen sie: die vielen „Freunde“. Sie boten ihre Hilfe an, luden zum Essen ein, machten einen mit weiteren „Freunden“ bekannt. Auch wir haben diese Erfahrung machen dürfen und manch böses Wort zum Abschied gehört, als nichts mehr an uns zu verdienen war oder wir uns nicht erwartungsgemäß verhalten haben, unabhängig sein wollten und nicht immer ein Kindermädchen brauchten. Da trennt sich ganz schnell die Spreu vom Weizen.
Heimweh nach Deutschland hatten wir nie! Wir flogen regelmäßig zurück, das tun wir heute noch. Der Kontakt zu Familie und Freunden ist, mit einigen wenigen Ausnahmen, nie abgebrochen. Der Austausch ist uns wichtig und natürlich nehmen wir noch Anteil am Leben in Deutschland.
Aber unser Lebensmittelpunkt ist ganz klar Uruguay. Über die hiesigen Nachrichten und Gespräche mit Einheimischen sind wir immer über Politik und das aktuelle Geschehen informiert.
Mit den Jahren legt man die rosarote Brille ab. Auch wir sehen heute vieles kritischer und differenzierter als noch vor sieben Jahren. Dinge, die wir am Anfang nicht vermisst haben, die uns unwichtig erschienen, rücken zunehmend in den Fokus. Man kann 50 Lebensjahre in Deutschland nicht einfach abstreifen. Ganz klar: es fehlt vieles! Wichtiges und Unwichtiges, nicht immer, aber manchmal doch. Sei es ein Besuch im Museum, ein Spaziergang im lichten Wald, ein spontaner Einkauf im Buchhandel oder manchmal einfach Lebkuchen, Stollen und Weihnachtstee! Deshalb sind uns die Reisen nach Deutschland so wichtig ! Sie sind lang und teuer, aber bieten uns doch das, was uns mit dem alten Leben verbindet!
Viel Erfolg für die Zukunft und fühlt Euch weiterhin wohl. Das wünsche ich Euch.
LG Jürgen
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Vielen Dank, Jürgen!
Ich werde weiter berichten, was es zum Lachen und Staunen, Wundern und Schmunzeln gibt.
Liebe Grüße 👋 Gabi
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Das ist schön. Ich freue mich darauf.
LG Jürgen
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Hallo Gabi, den Beitrag auf den du dich beziehst habe ich nicht gefunden.
Gruß dito
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Welchen?
Den mit der Sprache oder mit dem Kurzfilm über Uruguay, der uns zur Reise inspiriert hat? Die Beiträge sind schon einige Jahre alt.
Wenn du was speziell wissen willst, frag nur nach 😉
Viele Grüße 👋Gabi
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Das was im ersten Absatz steht finde ich nicht
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Der Beitrag vom 20.6.20 war gemeint, der setzt allerdings erst später ein, da hast du recht.
Wir sind 2006 innerhalb Deutschlands umgezogen und kurz nach dem Umzug lief auf einem dritten Programm der Film: „Uruguay-Land im Leerlauf“
Wir waren zu der Zeit ziemlich gestresst, da kam uns das Land, in dem nichts passiert, gerade recht!
Wir suchten nach einem Reiseanbieter und belegten einen Sprachkurs an der VHS. Auf eigene Faust wollten wir nicht nach Südamerika reisen, aber damals gab es Uruguay nur in Verbindung mit Argentinien oder Brasilien. Irgendwann fanden wir dann einen uruguayischen Anbieter, der uns eine dreiwöchige Reise organisierte: eine Woche Sightseeingtour, der Rest Nichtstun auf einer Estancia. Weihnachten 2008 waren wir im Hotel in Montevideo, danach drei Tage Colonia del Sacramento. Dann wieder zurück zur Atlantikküste. Hier blieben wir zwei Tage auf einer kleinen Farm an einer Lagune. Danach, über Silvester, verbrachten wir einen herrlichen Erholungsurlaub mit ausgezeichnetem Essen, auf einer großen Touristen-Estancia, zu der Zeit überwiegend als einzige Gäste, mit Privatbetreuung!
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende 👋Gabi
Wenn nich eine Info fehlt, bitte melden.
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