Am Sonntagmorgen hat der Backenzahn ordentlich geschmerzt. Ich hatte seit Wochen immer mal ein leichtes Ziehen im Oberkiefer und Kopfschmerzen, ich bezog aber die Unannehmlichkeit auf den ständigen Wetterwechsel und schenkte ihm keinerlei Beachtung. Am Sonntag wurde es unangenehm und am Montag früh unerträglich, das Frühstück ließ ich ausfallen, kauen war unmöglich.
Also sind wir am Montagvormittag nach Tarariras zur Zahnärztin gefahren, bei der ich vor zwei Jahren schon einmal vorstellig geworden war. Die Praxis war geschlossen, es sind zur Zeit Frühlingsferien. Die meisten Zahnarztpraxen werden von jungen Ärztinnen geführt, die hier Familie und Beruf prima vereinen können. Es sind meist Einmannbetriebe, in diesem Fall eher Einfrau-. Männliche Kollegen gibt es ganz selten.
Ich erinnerte mich an eine weitere Praxis, wir fuhren hin, die Praxis existierte allerdings nicht mehr. Jetzt war guter Rat teuer. In der Nähe hatte unsere escribana ihre Kanzlei und ich beschloss, dort bei der Sekretärin nachzufragen. Den Beruf der escribana gibt es in Deutschland nicht. Hier in Uruguay wird sie für alle Verträge benötigt, sei es beim Auto- oder Landkauf, bei Vermietungen und Verpachtungen. Auch die escribana ist ein typischer Frauenberuf. Sie kann ihre Arbeitszeiten den Bedürfnissen der Familie anpassen, ein männlicher Vertreter dieser Spezies ist uns noch nicht begegnet.
Besagte Sekretärin empfahl mir zwei Zahnarztpraxen. Eine davon hatte nur von Mittwoch bis Freitag geöffnet, die andere war geschlossen, weil das Haus renoviert wurde. Was nun? Um die Ecke lag die Kanzlei unseres contador‘s, der ist am ehesten mit einem Steuerberater in Deutschland zu vergleichen. Die Kanzlei ist groß, es gibt einen Empfang, das Reich von Federico, und eine Menge Zimmer mit noch mehr Mitarbeiterinnen. Federico hat uns schon oft geholfen, auch bei Sachen, die nichts mit der Kanzlei zu tun haben. Federico kann man alles fragen, wie man zu einem Fernsehempfang kommt, zum Beispiel, oder eben, wo der nächste Zahnarzt ist. Es herrschte „cero estrés”, “null Stress”, nix los! Federico und zwei in der Nähe sitzende Mitarbeiterinnen zückten sofort ihr Handy und suchten nach einer offenen Zahnarztpraxis. Das war gar nicht so einfach! Die drei wunderten sich selbst. Es konnte doch nicht sein, dass man Montags Zahnschmerzen kriegt und kein Zahnarzt greifbar war! Nach fast einer Viertelstunde hatte Federico dann Erfolg und meldete mich in der Praxis als Notfall an. Inzwischen warteten zwei Klienten geduldig und hörten neugierig zu. Federico erklärte mir, wo die Praxis zu finden sei. Einer der wartenden Männer bot sogleich an, mich hinzufahren! Ich erklärte, mein Mann warte draußen im Auto auf mich. Kein Problem! Wir sollten dem Mann nur folgen, auch er hatte sein Auto vor der Tür stehen! So viel Hilfsbereitschaft von allen Seiten! Wir waren überwältigt!
Ich betrat die Zahnarztpraxis zeitgleich mit einer jungen Mutter und ihrem Kind. Die Ärztin bat mich gleich ins Sprechzimmer, die Mutter wartete derweil geduldig. Ich bekam vor der Behandlung eine örtliche Betäubung, bis die wirkte, wurden Mutter und Kind versorgt. Danach kam ich dran. Der Backenzahn sah übel aus. Der Nerv war abgestorben und das Gewebe drumherum entzündet. Bevor da irgendwas gemacht werden konnte, musste eine Antibiotika-Therapie her! Die Füllung wurde entfernt, der Rest wird nächste Woche gemacht, wenn die Entzündung abgeklungen ist.
Nach einem Besuch in der Apotheke fuhren wir dann endlich nach Hause!
Zahnschmerzen entschuldet immer alles. Gute Besserung und wenig Schmerzen.
LikeLike
Dankeschön!
Die erzwungene Ruhe tut auch mal gut.
LikeLike