Nach den ersten vier Lämmern herrschte fast zwei Wochen Ruhe auf den Weiden. Gestern kam dann wieder etwas Bewegung in die Sache. Am Morgen hatten wir zwei Neuzugänge, kräftige, gesunde Mädchen, die, nachdem wir sie versorgt hatten, mit ihren Müttern in die Kinderstube zu den anderen Lämmern durften.
Am Abend lag auf dem Sammelplatz, mitten in der Herde, ein Schaf in den Wehen. Normalerweise suchen sich die Mütter zur Geburt einen ruhigen Platz. Wenn sie sich trotz Geburtsschmerz vor die Tür legen, suchen sie Hilfe, dann stimmt etwas nicht. Die werdende Mutter war ein ehemaliges Flaschenlamm und bekam das erste Mal Nachwuchs. Wir schickten die Herde auf die Nachtweide, dann kümmerte ich mich um mein Schaf. Die Geburt war ins Stocken gekommen, das Lamm steckte fest. Die Hufe der Hinterbeine waren geboren, weiter bewegte es sich trotz offensichtlicher Wehen nicht. Da war eindeutig Geburtshilfe geboten, also griff ich zu und zog das Lamm auf die Welt. Ein sehr großes Lamm kam da zum Vorschein, es atmete nicht und war schlaff wie eine Marionette. Nach einigen sanften Klapsen schnappte das Bubchen nach Luft, wir legten es der Mutter an ihr Gesicht, damit sie ihren Sohn ablecken konnte, die war aber selbst so erledigt, dass sie sich erst gar nicht bewegte und minutenlang wie tot liegen blieb.
Wir schafften die Beiden in einen kleinen Unterstand, damit sie sich erholen konnten. Hier war es trocken und warm, draußen nieselte es bei 9 Grad.
Die Mutter erholte sich rasch, das Lamm konnte nicht aufstehen und lag zappelnd in einer Ecke. Wir versorgten es mit Flaschenmilch, an Säugen war nicht zu denken.

Heute, am Samstag liegt es im Wohnzimmer vor dem Ofen, aufstehen kann es nicht.
Heute früh war ein weiteres Lämmchen geboren, Mutter und Kind sind wohlauf.
Unser ehemaliges Flaschenlamm „Chanel“ lag in den Wehen, war mit der Geburt völlig überfordert, lief aufgeregt umher und schrie, was für Schafe eher ungewöhnlich ist. Chanel ist drei Jahre alt und erwartete ihr erstes Lamm. Mit riesigen, vor Angst geweiteten Augen, sah sie uns an. Also gut! Händchenhalten während der Wehen war bei einem Schaf bisher noch nicht nötig gewesen. Wir geleiteten das aufgeregte Tier in den Unterstand, den ihre Vorgängerin gerade geräumt hatte. Dann nahm ich sie in den Arm, streichelte und knuddelte sie und feuerte sie an, wenn die Wehen kamen. Die Fruchtblase platzte, weiter gings! Nach einer Stunde ließ ich sie dann alleine, unser kleines Sorgenkind brauchte die nächste Flasche. In der Zwischenzeit brachte Chanel problemlos ein kleines Mädchen zur Welt. Alles gut gegangen.
