Moderne Zeiten

Die Kette und die vier Schlösser verschließen unser Eingangstor von der Straße zum Grundstück. Gesichert wie Alcatraz müssen wir beim Verlassen und Wiederheimkommen jedesmal das Schloss öffnen.

Natürlich gehört uns nur ein Schloss, das reicht ja auch, um die Kette zu verschließen! In Uruguay ist es üblich, dass bei den Toren jeder Zugangsberechtigte sein eigenes Schloss hat. Das erspart Ärger bei verlorengegangenen Schlüsseln. Jeder ist für sein eigenes Schloss verantwortlich. Klappt ja prima, sollte man meinen. Es gibt aber auch bei dieser Methode noch Fehlerquellen. Wir mussten schon mehrfach über das Tor klettern, auf dem eigenen Grundstück einbrechen und mit entsprechendem Werkzeug die Kette gewaltsam öffnen, weil die Schlösser nicht der Reihe nach eingehängt waren!!!

Eines der Schlösser gehört, wie schon erwähnt, uns. Ein zweites gehört unseren Nachbarn. Sie müssen, um auf ihr Grundstück zu gelangen, durch unseres durchfahren und haben eine Durchfahrterlaubnis. Das dritte Schloss ist unserem Angestellten. Manchmal hängt noch ein weiteres Schloss dazwischen, wenn die Nachbarn zeitweise einen Angestellten beschäftigen.

Das letzte Schloss gehört der Stromgesellschaft. Bis vergangenen Mittwoch kam jeden Monat ein Angestellter des Stromanbieters mit seinem Auto angefahren, um den Stromzähler abzulesen. Die Rechnung wird monatlich bezahlt und über WhatsApp zugestellt. Nach der Zustellung hat man eine Woche Zeit zum bezahlen, ansonsten wird der Strom abgestellt. Knallhart, zack-bumm. Eine Sozialklausel gibt es nicht. Wer nicht bezahlt, bekommt auch keinen Strom. Wird die Rechnung dann allerdings beglichen, wird der Strom auch schon am nächsten Tag wieder zugeschaltet. Da ist man hier sehr flexibel.

Das Zahlen der Rechnungen, nicht nur der vom Strom, auch Telefon, Steuern, Versicherungen usw. wurde bisher über eine Bezahlstation geregelt, die es in jedem Dorf und jeder Stadt gibt. Dort gibt man seine Personalnummer an und auf dem Computer des Sachbearbeiters erscheinen alle offene Rechnungen. Wir lassen das vom Büro unseres Steuerberaters erledigen, weil wir keine Lust haben, uns jeden Monat in die Schlange der Bezahlwilligen einzureihen. In den ersten Tagen des Monats sind Wartezeiten von ein- bis zwei Stunden nichts ungewöhnliches.

Seit einigen Monaten kann man das auch online erledigen. Uruguay kommt langsam in der Moderne an! Auch muß nun jeder, der über ein Gehalt oder eine Rente verfügt, ein Bankkonto besitzen und sein Geld aus dem Automaten holen. Bis im letzten Jahr haben die Büros der Steuerberater das Geld an die Angestellten in bar ausgezahlt und die Rentner haben ihre Rente bei den Bezahlstellen abgeholt. Das war einfacher für die Landbevölkerung. Auch wenn es in Uruguay offiziell kaum Analphabetismus gibt, haben doch viele Menschen auf dem Land erschreckende Schwierigkeiten beim Lesen der Anweisungen auf dem Display des Bankautomaten. Das ist kein Witz, sondern traurige Wirklichkeit. Irgendwelche online-Überweisungen kommen da natürlich auch nicht in Frage. Da sind die Bezahlstationen Gold wert! Seine Personalnummer weiß jeder auswendig, den Rest erledigt der freundliche Angestellte hinter der Panzerglasscheibe.

Der Stromverbrauch wird nun monatlich digital erfasst. Monatlich deshalb, um keine großen Rechnungsbeträge auflaufen zu lassen. Die Zahlungsmoral ist hier allgemein nicht sonderlich gut ausgeprägt und viele, nicht nur die Stromgesellschaft, bleiben allzu oft auf offenen Rechnungen sitzen. Und von denen, die nichts haben, lässt sich dann auch nichts eintreiben. Sozialhilfe oder Ähnliches gibt es hier nicht.

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