Neuer Ausweis

Unser uruguayischer Ausweis, die cédula, läuft Ende des nächsten Monats ab. Wir haben uns deshalb gestern auf den Weg in die Provinzhauptstadt Colonia del Sacramento gemacht, um die cédula zu verlängern, bzw. zu erneuern.

Unser erster Weg führte uns ins Ministerium für Einwanderung. Hier empfing uns die gewohnte Atmosphäre: der Salpeter bröckelte von der Decke und sammelte sich auf dem Empfangstresen. Wir hatten Plexiglasscheiben oder irgendetwas anderes Corona-mäßiges im Amt erwartet. Fehlanzeige. Die Flasche mit dem Händedesinfektionsmittel steht schon seit sieben Jahren an der gleichen Stelle und die Mitarbeiter hatten ihren Mundschutz in greifbarer Nähe. Er wurde nur kurz aufgesetzt, als sie in unsere Nähe kamen. Danach: schnell wieder weg!

Hier wurde erst einmal überprüft, ob wir als Ausländer auch die überwiegende Zeit, also mehr als die Hälfte des Jahres, in Uruguay verbracht haben. Anhand der Ein- und Ausreisedaten ist das per Computer schnell festgestellt. Wenn das Internet denn funktioniert. Aber die Damen von migraciónes sind da versiert. Hat sich eine Datei aufgehängt, wird kurzerhand der Stecker gezogen, man wartet kurz und lässt dann den Computer wieder hochfahren. Klappt alles wunderbar! Unsere Identität wurde über die registrierten Fingerabdrücke überprüft, danach hatten wir das Formular für den neuen Ausweis in den Händen. Wir bezahlten den bürokratischen Akt und wurden danach freundlich verabschiedet.

Mit den fünfmal abgestempelten Formularen ging’s dann zum Passamt. Hier ging es nicht so locker, aber dabei nicht weniger freundlich zu. Abstandhalten und am besten draußen warten ist hier die Devise. Wir wurden persönlich abgeholt, einfach ins Amt spazieren ging nicht. Zu weit schon gar nicht! Also marschierte Steffen ( mit Mundschutz ) mit der maskierten Dame ins Büro und erledigte den Papierkram. Ich wartete derweil draußen. Auch hier arbeitete der Computer noch langsamer, als die Dame arbeitete. Steffen bezahlte beide Ausweise, der Geldeingang wurde per Internet nach Montevideo in den Hauptcomputer zur Genehmigung gesendet und nach einer gefühlten Ewigkeit kam die Bestätigung, dass alles in Ordnung ist. Daraufhin bekamen wir einen Termin in eineinhalb Wochen. Dann wird der Ausweis erstellt.

Wir hatten noch etwas Zeit und spazierten durch die Stadt. Das Wetter war herrlich, strahlend blauer Himmel und Sonnenschein. Wir waren angenehm überrascht. Nach der fast tödlichen Tristesse vor einigen Wochen empfing uns eine lebendige Atmosphäre. Viele Fußgänger waren unterwegs. Die meisten Geschäfte hatten geöffnet, es herrschte ein buntes Treiben. Die großen Restaurants und Touristenfallen waren geschlossen. Sie haben Platz gemacht für kleine, gemütliche Lokale, wo die Menschen fröhlich beieinander saßen und Speisen zu vernünftigen Preisen genießen konnten. Die Grenzen nach Argentinien und Brasilien sind noch immer geschlossen. Die Uruguayos sind unter sich und freuen sich über die wiedergekehrte Normalität. Die Flatterbänder an den Spielplätzen sind entfernt. Familien mit Kindern haben ihr Reich zurück und genießen lautstark die wiedergewonnene Freiheit. Wer einen Mundschutz tragen will, darf das gerne tun. Die überwiegende Mehrheit streckte das nackte Gesicht der Sonne entgegen.

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