Alltag auf dem Campo

Dass unsere Ziegen das Geräusch der Kettensäge unwiderstehlich finden, habe ich, glaube ich, schon erwähnt. Wenn Steffen mit der Kettensäge unterwegs ist um Bäume auszulichten oder Büsche zu kürzen, fällt für die gefräßige Bande immer eine leckere Mahlzeit an. Egal wo sie sind : ertönt das Geräusch, dann sind sie nicht mehr zu halten. Soweit, so gut, solange Steffen der Kettensägenmann ist und auf unserem Campo werkelt.

Vergangenen Freitag, ich war alleine zu Hause, ertönten aus dem Eukalyptus-Wald, der im Norden an unser Grundstück grenzt, mehrere Kettensägen. Waldarbeiter waren unterwegs. Das konnten unsere Ziegen natürlich nicht wissen. Einige Meter vor dem Grenzzaun, der schon etwas marode ist, haben wir zur Sicherheit einen zweiten Zaun gezogen, unter Strom gesetzte Schnüre, die unsere Tiere davon abhalten sollen, der Grundstücksgrenze zu nahe zu kommen. Die Schafe halten sich daran und die Ziegen meistens auch. Aber nicht, wenn Waldarbeiter mit der Kettensäge arbeiten !!!

Die Gier lässt die Angst vor dem Strom vergessen. Sie haben den ganzen Zaun niedergetrampelt, die Schnüre zerrissen und sind durch die kaputten Stellen im Grenzzaun ab in den Eukalyptus-Wald. Was sich die Waldarbeiter gedacht haben, als plötzlich die Ziegenherde im Anmarsch war, weiß ich nicht. Gestört hat es sie auf jeden Fall nicht, denn meine Ziegen waren einige Stunden verschwunden und kamen erst am Abend wieder.

Dieses Geschehen ist reine Rekonstruktion, denn ich war viel zu beschäftigt, um allzu viel davon mitzubekommen. Als die Ziegen am Abend wieder auftauchten, war ich froh und machte mir weiter keine Gedanken. Wie gesagt, ich war alleine und hatte viel zu tun.

Am nächsten Morgen, während ich die Tiere auf die Weide schickte, erinnerte ich mich wieder an den gestrigen Vorfall und wollte nach dem Frühstück nach den Zäunen sehen. Das ist eigentlich Steffens Aufgabe. Er weiß, wie die Zäune, und damit auch die Stromversorgung, verteilt und verzweigt sind. Aber auch heute: Gabi alleine zu Hause !

Besagte Grenzlinie ist etwa 500 Meter von unserem Haus entfernt. Nur so zur Information 😁

Nach dem Frühstück machte ich einen Spaziergang am Zaun entlang und bemerkte den oben beschriebenen Schaden. Also marschierte ich wieder hoch zum Haus, das Gelände hat ein leichtes Gefälle, um im Galpon den Strom abzuschalten und geeignetes Material zur Ausbesserung ( Schere und Schnur ) zu holen. Beim Aufstieg hörte ich ein „Mäh“ aus einem undurchdringlichen Gestrüpp. Stellenweise ist das Gelände sehr feucht, es wachsen Weiden und allerlei mehr, viel Platz zum Verstecken. Da ich den ganzen Tag über „mähmäh“ höre und manchmal sogar davon träume, habe ich dem Ganzen keine Bedeutung beigemessen. Hier unten im Matsch ist kein Schaf. Basta.

Ich also den Strom abgeschaltet und wieder nach unten marschiert. Als ich die kaputte Schnur, die im Gras lag, anfasste, bekam ich einen ordentlichen Schlag! Das kann doch nicht sein! Dann fiel mir ein, dass wir weiter oben noch einen solarbetriebenen Stromkasten haben, der die Zäune auch bei Stromausfall versorgt. Steffen hatte die Grenzzäune daran angeschlossen! Also musste ich wieder den Hügel hinaufstiegen, vorbei an den Weiden, aus denen wieder „mähmäh“ erklang. Wenn ich mit dem Zaun fertig bin, sollte ich da doch mal nachschauen. Vielleicht hatte sich ein Lamm verlaufen und steckte im Matsch fest. Aber erst der Zaun!!!

Beim dritten Anlauf hat dann alles geklappt. Die Schnüre waren schnell ersetzt und verknotet und auch die Kunststoffpfosten waren schnell wieder in die Erde gesteckt. Beim Rückmarsch schaute ich dann noch schnell bei den Weiden vorbei. Ich fand nicht nur ein, sondern zwei Lämmer und die dazu gehörende Mutter. Ein Schaf hatte Zwillinge zur Welt gebracht und sich für die Geburt eine denkbar schlechte Stelle ausgesucht. Mitten im unwegsamen Gelände, zwischen Gestrüpp und Totholz, 400 Meter vom Haus entfernt! Ich hatte das Gefühl, das Schaf war froh, mich zu sehen. Dass sie hier mit den Kleinen nicht alleine rauskam, wird ihr da so langsam gedämmert sein.

Wenn ein Schaf ihr Lamm draußen auf der Weide zur Welt bringt, ist es nicht immer ganz einfach, beide wohlbehalten hoch zur Schlafweide zu bringen. Die weite Wegstrecke ist für ein neugeborenes Lamm zu anstrengend. Meist tragen wir es nach oben und wenn wir Glück haben, trottet die Mutter hinter uns her. Oft sieht sie das aber als Diebstahl ihres Jungen an und reagiert von leicht hysterisch bis komplett sauer. Manchmal rennt sie in die entgegengesetzte Richtung und wir hatten schon oft Mühe, Mutter und Kind ans Ziel zu bringen. Bei Zwillingen sieht die Sache entsprechend schwieriger aus. Zu zweit kein Problem, alleine schon. Ich habe mir schon, als winzige Zwillinge draußen zur Welt kamen, eines von ihnen zwischen Unterhemd und T-Shirt auf den Bauch gebunden, das zweite in der Hand gehalten und mit der freien Hand die Mutter dirigiert. Not macht erfinderisch!

Diesmal ging das nicht. Beide Lämmer waren groß, wogen bestimmt jeder um die drei Kilo. Ich kämpfte mich also durch das Geäst, nahm die beiden auf den Arm und hoffte inständig, dass mir die Mutter schön brav hinterher läuft. Das tat sie dann auch. Wir stapften gemeinsam durch den Matsch und liefen langsam den Hügel nach oben. Mit jedem Schritt wurden die Lämmer in meinen Armen schwerer. Sowas passiert immer, wenn ich alleine bin!!!!! 😁

Letzten Endes erreichten wir wohlbehalten den Corral. Mutter und Kinder konnten sich von dem ganzen Stress erholen und auch ich hatte eine Pause verdient!

Selbstverständlich nachdem ich die unterbrochene Stromversorgung wieder aktiviert habe.

Ein Gedanke zu “Alltag auf dem Campo

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