Gestern stand eigentlich die Schafschur und die Medikamentengabe an die Schafe und Ziegen auf dem Plan. Dafür sollte unser neuer Angestellter um 9 Uhr hier sein. Wir haben ihn letzten Monat neu eingestellt. Es ist der Tagelöhner, der uns schon einige Male ausgeholfen hat. Nun hat er bei uns eine feste Anstellung für einen Tag in der Woche, ordentlich angemeldet bei der Sozialversicherung !
Aufgrund der Vorbereitungen, wir wollten ja pünktlich um 9 Uhr starten, sind wir extra schon kurz nach Sonnenaufgang aufgestanden. Ich wollte Lizzy aus der Herde herausholen, da die gesamte Herde in einem engen Corral eingepfercht sein würde und ich Angst hatte, daß sie in Panik gerät und mit ihren Hufen eines der Lämmer oder Zicklein verletzt. Es klappte hervorragend. Die Schafe waren aufgrund der frühen Stunde noch sehr verschlafen und ehe sie begriffen, was ich vorhatte, war Lizzy auch schon draußen auf der Weide. Gatter zu und gut. Die Ziegen haben natürlich bemerkt, was vor sich geht und versammelten vor der verschlossenen Tür. Das kam mir sehr gelegen. Wenn ich sie auch aus dem Corall bekam, konnte ich sie mit dem Medikament versorgen und sie ebenfalls auf die Weide schicken.Wir hätten dann nachher nur noch die Schafe. Sehr praktisch. Auch das gelang, ehe die Schafe auch nur ans Aufstehen denken konnten. Sie lagen weiterhin im Corall und dösten vor sich hin.
Steffen schnappte sich nacheinander die Ziegen, ich verabreichte ihnen ihren Saft gegen die Parasiten und danach verabschiedeten sie sich, nicht ohne sich lauthals über das eklige Zeug, das sie schlucken mußten, zu beschweren, ab auf die Weide. Tschüss, bis heute Abend.
Danach haben wir schnell gefrühstückt, inzwischen war es kurz vor neun. Ich lockte also die Schafe in das kleine Gehege, es sollte ja gleich losgehen. Wir warteten bis viertel nach neun, keine Spur von Daniel. Wir waren sauer. Dann eben nicht ! Wir beschlossen : wir schaffen das…….auch alleine !!!!!
Jedes Schaf sollte seine Portion des Saftes bekommen, die Lämmer wurden zusätzlich mit einem Desinfektionsspray eingesprüht.
Los geht’s. Steffen schnappte sich wieder ein Schaf nach dem andern. Eine kräftezehrende Arbeit, denn freiwillig liesen die Tiere sich nicht einfangen. Aber das Gehege ist eng genug. Gemeinsam krallten wir die Finger in die dichte Wolle und hielten sie fest. Jedes behandelte Schaf bekam einen roten Farbklecks auf den Kopf, zum Zeichen : ich habe schon ! Das erwies sich als gute Idee. Drei der kleinen Lämmer entwischten uns zwischen den Gittern hindurch, nachdem wir ihre Mütter behandelt und nach draußen geschickt hatten. Und zwei der Hammel wagten den sogenannten Hammelsprung : aus dem Stand heraus mal schnell die 1,2m hohe Umzäunung überwinden. Sie hatten wohl keine Lust auf die rote Farbe auf ihrem Kopf.
Wir kamen recht schnell voran. Wie ein schon lange eingespieltes Team fertigten wir die Schafe nach und nach ab, bis nur noch fünf übrig waren. Die wollten wir im Gehege behalten und uns an der Schafschur versuchen. Das konnte so schwer ja nicht sein.
Es war kurz nach halb elf Uhr, als ein Auto vorfuhr und Daniel ausstieg. Ganz erstaunt sah er uns an, wie wir so verschwitzt und total verdreckt, rote Flecken überall, im Gehege standen. Er hatte verschlafen, war gestern auf einem Geburtstag und das wurde ziemlich spät, bzw. sehr früh heute morgen. Was sollten wir über so viel Gelassenheit und Naivität dann sagen ? Toben, schimpfen, rausschmeißen? Das würde er eh nicht verstehen. Steffen gab ihm den Rat, das nächste Mal wenigstens eine Nachricht über Handy zu schicken, damit wir Bescheid wissen. Danach durfte er mitarbeiten. Andere Länder, andere Sitten.
Die elektrische Schere funktionierte dann leider nicht. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Um den Scherkopf auszutauschen, fuhren die Männer dann nach Tarariras, um nach über einer Stunde unverrichteter Dinge zurück zu kommen. Das besagte Teil gibt es nur in einem bestimmten Geschäft in Cardona, 60 km entfernt in der entgegengesetzten Richtung. Heute ist Samstg, da ist um 12 Uhr überall Schluß. Also nix mit Schafschur ! Die übrigen Tiere wurden ebenfalls in die Freiheit entlassen und Daniel bekam den Auftrag, an der Campoeinfaht den Zaun zu richten. Ich kümmerte mich um die Weiterarbeit an meinem Rosenrondell und mähte den Rasen. Für Sonntag war ja wieder Regen vorhergesagt.
Steffen und Daniel arbeiteten zügig, entfernten die alten Drähte und ersetzten die morschen Pfosten durch neue. Als sie die Löcher für den Draht bohren wollten, gab der Generator den Geist auf ! Irgendwie war der Wurm drin. Es sollte heute nichts so richtig klappen.
In der Ferne brauten sich schon sie ersten Gewitterwolken zusammen. Die Männer verschlossen notdürftig die offene Weide, ich holte die Tiere in ihren Schlafcorall, es war mittlerweile kurz vor 18 Uhr. Unser Schafbock Octavio machte schon seit einigen Tagen einen schlechten Eindruck. Vorgestern kam er mit einer riesigen, blutigen Schramme im Gesicht von der Weide zurück. Wie nach einem Boxkampf mit Vitali Klitschko schlich er benommen und mit gesengtem Kopf heran. Wir vermuteten eine Gehirnerschütterung nach einer Auseinandersetzung mit Luzifer, unserem zweiten Schafbock. Heute war sein Verhalten noch merkwürdiger, der Kopf schmutzig. Dann bemerkten wir die vielen Fliegen, die um seinen Kopf schwirrten und ahnten Schlimmes !
Daniel fing ihn mit dem Lasso ein, das ging schneller, als ihn in seinem Zustand mit Futter zu locken . Wir untersuchten den Kopf genauer. Das hätten wir heute früh schon tun sollen, schoben aber da sein Verhalten noch auf Kopfschmerzen. Die Wolle ist auch auf seinem Kopf einige Zentimeter lang. Ich griff mit den Fingern dazwischen, er wehrte sich heftig und mir schlug ein ekelhafter Geruch entgegen. Mit einer Schere entfernte ich die Wolle und sah dann die Bescherung, die ich schon ahnte : eine blutige Wunde, voll mit Maden !!!!!!!
Nach der Behandlung trottete unser Octavio vondannen. Er ahnte wohl, daß wir ihm nur helfen wollten.
Nach über 12 h Arbeit ohne Pause beendeten wir, völlig geschafft, den Tag. Daniel fuhr nach Hause, wir schleppten uns nach der Dusche auf die Couch.
Das heftige Gewitter, das heute Nacht tobte und wieder ordentlich Wasser im Schlepptau hatte, bekam ich nicht mit. Ich schlief wie ein Stein. Steffen leider nicht. Es blitzte und donnerte wohl die halbe Nacht.