
Zwei Wochen, nachdem ich die Stecklinge der Vogelbeeren auf der Außenseite des Zauns gepflanzt hatte, fiel uns auf, daß einige von ihnen abgebissen wurden. Mit einem glatten Schnitt kurz über dem Boden waren sie gekappt worden, die welken Ästchen lagen noch um die Pflanzenreste herum. Wir konnten uns nicht erklären, wer oder was das angerichtet haben sollte. Der glatte Schnitt deutete auf ein scharfes Schneidewerkzeug hin. In den folgenden Tagen entdeckten wir immer mehr Pflanzen, von denen nur noch einige Zentimeter aus dem Erdreich guckten. Eine Kletterrose: komplett gekappt. Bei den Olivenbäumchen: die unteren Ästchen gekappt. Und immer lagen die Reste verwelkt daneben. Was geht hier vor ?
Das sind die Wildhasen, meinten die Nachbarn. Das erschien uns aber als sehr unwahrscheinlich. Hasen fressen zwar wahllos alles ab, was ihnen vor die Zähne kommt, aber sie schneiden keine Äste ab und lassen sie liegen.
Während eines Spaziergangs am Wochenende, wir haben unserem Besuch natürlich stolz unseren Campo gezeigt, entdeckten wir in der Nähe des Flusses merkwürdige Kothaufen, die wir so noch nie gesehen hatten. Nach kurzem Nachdenken war das Rätsel dann schnell gelöst: das sieht aus wie Köddel vom Hamster, nur viel, viel größer!
Die Carpinchos, Wasserschweine, gehören zur Familie der Meerschweinchen und sind damit das weltgrößte Nagetier. Sie kommen praktisch auf der gesamten Nordhälfte des Südamerikanischen Kontinents vor, bis etwa auf die Höhe von Buenos Aires. Weiter südlich wird es Ihnen dann zu kalt. Sie leben in Wassernähe im geschützten Unterholz, werden etwa 60 cm hoch, einen Meter lang, um die 60 kg schwer und sind Dämmerungsaktiv. Ihre messerscharfen Zähne schneiden Äste wie Butter, ähnlich den europäischen Bibern. Sie ernähren sich eigentlich nur von Gras, warum sie unsere Pflanzen einfach abgebissen haben, bleibt ihr Geheimnis. Ebenso, wie sie in unseren Park gelangen und hier ihr Unwesen treiben konnten, ohne daß unser supertoller Wachhund sie verjagt hat. Denn das ist eigentlich Leikas Aufgabe. Aber die ist momentan jede Nacht mit dem Verjagen der Stinktiere beschäftigt, die unseren Rasen systhematisch umgraben und darin nach Käfern und Würmern suchen.
Das Leben in und mit der Natur hat also auch so seine Tücken. Selbstverständlich gehören die einheimischen Tiere auch dazu, die wir von ihrem natürlichen Lebensraum nicht vertreiben wollen. Wir pflanzen also überwiegend Gewächse, die von der hungrigen Meute verschmäht werden, gegen das nächtliche Buddeln können wir allerdings wenig ausrichten und müssen mit den Löchern in der Wiese leben. Steffen hat auf der Südseite Zäune gespannt, da wir unsre beiden Pferde auf dieser Seite unterbringen wollen. Hier haben sie den Winter über genug Futter und fressen auf der Nordseite den Schafen nicht alles weg. Wir müssen in dieser Hinsicht die nächsten Wochen haushalten, da in der kalten Jahreszeit kein Gras mehr wächst. Besagte Zäune werden unter Strom gesetzt, hoffentlich halten sie auch die neugierigen Carpinchos in Zukunft von unserem Park fern. Vielleicht werden sie auch von den umherlaufenden Pferden etwas gestört, sodass sie in Ufernähe bleiben. Da haben sie auch ein ausreichend großes Revier, in dem sie ihre Zähne nach Lust und Laune benutzen können.
Vergangenen Freitag bekam ich einen Anruf von der Polizei. Steffen war in Tarariras unterwegs, also mußte ich selbst telefonieren, was ich sehr ungern mache, weil ich da noch weniger verstehe, als wenn der Jemand vor mir steht. Ich verstand, daß es um eine Anzeige geht und wir auf der Wache vorbei kommen sollen. Der Polizist redete wie ein Wasserfall, erklärte alles in epischer Breite, bis ich letztendlich gar nichts mehr begriff. Wir hatten Ende März einen Mann angezeigt, der seinen Müll bei uns am Flußufer entsorgt hatte und auch nach mehrmaliger Aufforderung einiger vorbeikommender Autofahrer von seinem Tun nicht abließ. Die hitzigen Streitgespräche waren bis hinauf zu unserem Haus zu hören. Steffen notierte sein Kennzeichen. Uns blieb nichts anderes übrig, als ihn der Polizei zu melden, wollten wir in Zukunft eine Müllkippe vor Ort vermeiden.Wahrscheinlich ging es darum. Ich wünschte ihm ein schönes Wochenende und versprach, am Montag vorbeizukommen.
Zur ausgemachten Zeit erschienen wir am Montag dann auf der Polizeistation in Miquelete. Wir wurden sehr nett und freundlich empfangen, es fehlte eigentlich nur der rote Teppich und der Mate-Tee. Nach ausführlichem Smalltalk überreichten sie uns unsere Anzeigen vom Arbeitsministerium. Gastón hatte uns dort angezeigt! Wir haben die Papiere gleich an unserem Anwalt in Tarariras weitergereicht. Der zeigte sich ziemlich unbeeindruckt, weil Gastón ja seine Abfindung in Höhe von drei Monatsgehältern bereits bekommen und den Erhalt auch unterschrieben hat. Wie er das seinem Anwalt erklären will, der die Sache ja dem Ministerium vorgestellt hat, ist seine Sache. Leider sehen wir sein Gesicht nicht, wenn ihm sein Anwalt die Rechnung präsentiert.
Es ist eigentlich unglaublich. Wir hatten in den letzten 11 Monaten mehr mit der Polizei zu tun als in den vergangene 50 Jahren. Und daß uns Gastón so viel Zeit und Nerven kostet, die ganze Angelegenheit zur unendlichen Geschichte ausartet, hätten wir nie für möglich gehalten. Wie ein Mensch sich nachweislich so sehr verstellen kann, anfangs nett und freundlich ist und uns eigentlich nur Verachtung und Hass entgegenbringt, ist eine Sache, die wir wahrscheinlich nie verstehen werden.